Werkstoffhärte ist oft der entscheidende Faktor
Mitten in der Nacht riss in der Küche einer Etagenwohnung der Anschlussschlauch für die Einhebelmischarmatur, und es kam zum Wasserschaden. Die Installation lag erst acht Monate zurück. Hatte der Monteur einen Fehler gemacht? Eine Untersuchung im IFS sollte diese Frage beantworten. Der Gutachter erhielt die Armatur samt Anschlussschläuchen. Am Warmwasseranschluss war der Anschlussstutzen aus verchromtem Messing in der Nut für die O-Ring-Dichtung rundum abgebrochen. Das abgebrochene Gewindestück und die Dichtung befanden sich noch im Armaturgehäuse.
Druck- oder Kratzspuren eines Greifwerkzeuges entdeckte der Gutachter weder an der Armatur noch am Anschlussstutzen. Sie wären entstanden, wenn der Monteur die Verschraubung zu fest oder mit einem ungeeigneten Werkzeug angezogen hätte. Hinweise auf die Schadenursache liefern gewöhnlich die Bruchflächen. Nach der Reinigung mit einer Zitronensäurelösung im Ultraschallbad zeigten sie eine Rotfärbung, die infolge des Wasserkontaktes durch selektive Korrosion beziehungsweise Entzinkung des Messings entsteht. Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung sah der Gutachter auf den Bruchflächen interkristalline und transkristalline Rissstrukturen, die insbesondere auf der Innenseite des Bauteils, das mit Wasser in Berührung gestanden hatte, stark ausgeprägt waren.
Diese Rissstrukturen belegen Spannungsrisskorrosion. Sie kann in Messinglegierungen entstehen, wenn sowohl ein Korrosionsmedium als auch Zugspannungen vorhanden sind. Als Korrosionsmedium wirken zum Beispiel Nitrite oder Sulfate, die in unterschiedlichen Konzentrationen im Trinkwasser gelöst vorkommen. Zugspannungen gelangen unter anderem bei der Montage ins Bauteil. Die Spannungen, die durch eine fachgerechte Installation entstehen, hält ein fehlerfreies Werkstück jedoch aus. Eine weitere Quelle für Zugspannungen im Messing ist eine zu hohe Werkstoffhärte. Das Material wird bei der Herstellung einer Entspannungsglühung unterzogen, bei der die Härte abnimmt. Wird diese nicht oder nur unzureichend durchgeführt, bleiben hohe Spannungen im Werkstoff, die später zu Spannungsrisskorrosion führen können. Ein indirektes Maß für Zugspannungen ist darum die Werkstoffhärte. Der Gutachter prüfte mehrfach die Materialhärte des Anschlussstutzens und erhielt immer wieder einen zu hohen Wert. Der Schaden war also auf einen Materialmangel zurückzuführen. Wegen des zu harten Messings kam es im Anschlussstutzen zu Spannungsrisskorrosion. Die Bruchflächen der feinen Risse, die so entstanden, wurden durch den Kontakt mit Wasser außerdem durch selektive Korrosion geschädigt. In der Nut für die O-Ring-Dichtung, in der die Wandstärke des Bauteils besonders gering war, kam es schließlich zum Bruch.