Betriebsbegehung mit kontroversen Schwerpunkten
Bei der Brandursachenermittlung in einer Forschungseinrichtung stieß das IFS auf verschiedene Mängel und das interessante Protokoll einer Betriebsbegehung. Am Samstagnachmittag lief beim externen Sicherheitsdienst der Einrichtung eine automatische Brandmeldung auf: In einem Chemikalienlager war ein Feuer ausgebrochen. Die Feuerwehr griff ebenso schnell wie beherzt ein und konnte den Brand im Wesentlichen auf den betroffenen Gefahrstoffschrank begrenzen. Dafür war der Inhalt mehrerer 5 kg-Pulverlöscher notwendig. Diese Löschpulvermenge addierte sich zwar zu einem unangenehmen Brandfolgeschaden auf, doch es hätte wesentlich schlimmer kommen können.
Die Brandspuren im Schrank verrieten, dass der Schaden im Bereich des untersten Regalbodens entstanden war. Dort hatten verschiedene Gebinde mit epoxidhaltigen Chemikalien sowie ein Gebinde mit 2,4-Dinitroanilin gestanden. Diese Stoffe können sich bis zur Selbstentzündung erhitzen, wenn chemische Prozesse zum Beispiel durch eine erhöhte Umgebungstemperatur angestoßen werden. Verunreinigungen in den Substanzen, die auch bei umsichtiger Arbeitsweise nicht immer vollständig auszuschließen sind, können außerdem die Aktivierungsenergien dieser Reaktionen herabsetzen, so dass der Selbsterwärmungsprozess schon bei geringeren Temperaturen einsetzt. In dem Fall kam noch ein weiterer Aspekt hinzu: Epoxidhaltige Substanzen reagieren heftig mit Säuren und Basen, und solche lagerten ebenfalls in dem Gefahrstoffschrank. Im Ergebnis der Untersuchung war es erst zu einer Selbstentzündung und anschießend zu chemischen Reaktionen zwischen den gelagerten Stoffen gekommen.
Die brisante Feststellung, die der IFS-Gutachter machte, war allerdings nicht die Zusammenstellung des reaktionsfreudigen Schrankinhaltes, sondern die Tatsache, dass der etwa zwanzig Jahre alte Schrank zum Schadenzeitpunkt offen stand. Weil der Notschließmechanismus nicht mehr funktionierte, hätte man den Gefahrstoffschrank auch gar nicht verschießen können. Bei der turnusmäßigen Prüfung wäre dieser Mangel freilich aufgefallen. Doch diese vorgeschriebene Maßnahme wurde in dem Gefahrstofflager nicht durchgeführt. Ein Aufkleber auf dem Schrank gab den nächsten fälligen Prüftermin an. Der wäre allerdings schwer zu halten gewesen, da er bereits mehrere Jahre in der Vergangenheit lag. Das wiederum hätte bei der extern vergebenen Arbeitssicherheitsprüfung auffallen müssen. Eine namhafte Prüfanstalt hatte etwa ein halbes Jahr zuvor eine Betriebsbegehung durchgeführt. Weder der Zustand des Gefahrstoffschrankes noch die nicht eingehaltenen Prüfintervalle fanden Eingang in das Protokoll. Stattdessen wurde zum Beispiel bemängelt, dass einige Schreibtische zu voll gestellt waren. (is)